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Zu kompliziert – US-Navy schafft Touchscreens ab

Touchscreens sind praktisch, kostengünstig und fast überall zu finden, doch sind sie auch bediensicher?

Früher nannten wir es einen berührungsempfindlichen Bildschirm, heute heißt es Touchscreen. Durch Berührung von Teilen eines Bildes mit dem Finger oder einem Stift können Abläufe eines Geräts direkt gesteuert werden. Da man weder Maus noch Tastatur benötigt und das Eingabegerät gleichzeitig das Ausgabegerät ist, sind Touchscreens in vielen Anwendungen zur gängigen Praxis geworden.

Dies ist für Entwickler bequem und kostengünstig, da man alle Funktionalitäten der Mensch-Maschine Schnittstelle per Software designen kann. Man muss keine Knöpfe, Schalter oder Schlüssel verbauen, verkabeln und programmieren. Änderungen können rasch – per Software -  realisiert werden.

Es ist auch für die Nutzer bequem, denn man tippt mit Finger oder Stift einfach auf die Stelle am Bildschirm, wo die gewünschte Aktion erwartet wird.

Jeder kennt es und die Welt ist ohne touch-bedienbare Smartphones, Tablets und Smartwatches, aber auch touch-bedienbare Verkehrsmittel, Maschinen, Haushaltsgeräte usw. kaum mehr vorstellbar.

Aber ist ein Touchinterface auch sicher im Sinne von bediensicher? Eher nicht:

  • da das Anzeigegerät gleichzeitig zur Eingabe verwendet wird, verdeckt man mit der bedienenden Hand möglichweise wichtige Informationen.
  • da man auf einem Bildschirm keine mechanischen Fixpunkte mehr hat (im Gegensatz z.B. bei einem Schalter), rutscht der Finger bei Vibrationen und Erschütterungen über den Bildschirm und löst möglicherweise nicht intendierte Aktionen aus.
  • da die meisten Touchscreens kapazitiv mit einem elektrischen Feld arbeiten, ist die Bedienung mit verschmutzen oder nassen Fingern, mit Handschuhen oder bei verschmutztem Bildschirm nicht möglich oder zumindest fehleranfällig.
  • da auf dem Bildschirm sehr viele unterschiedliche Funktionen realisiert werden und damit auch die Positionen, an denen man tippen muss, wechseln können, ist vom Bediener, anders bei einem festverbauten Knopf mit einer Funktion, ein besonders hohes Maß an Konzentration gefordert.

Also insgesamt eine Bedienung, die beim Surfen auf dem Sofa unkritisch ist, aber bei Geräten in potenziell sicherheitskritischen Situationen, z.B. beim Fahren im Auto oder bei der Bedienung eines Waffensystems, eigentlich ungeeignet ist .

Nichtsdestotrotz werden Touchscreens für zunehmend mehr Funktionen genutzt und verbaut. Teilweise wird mit einer haptischen Rückmeldung versucht, den Kontakt zum Touchscreen zu verbessern. Die grundsätzlichen Probleme werden dadurch aber nicht gelöst.
Bespiele für diese Problematik finden sich bei vielen aktuellen Fahrzeugen (siehe dazu beispielsweise Touch-Bedienung während der Fahrt. Cockpit als (Nicht-)Kaufgrund?) oder in militärischen Systemen (siehe dazu beispielsweise den Bericht einer US Untersuchungsbehörde: Die Offiziere und Mannschaften auf der Schiffsbrücke waren von den Touchscreens schlicht überfordert: Zu kompliziert – US-Navy schafft Touchscreens ab).

Im Grunde ist bei der Bedienung von sicherheitskritischen Geräten und Systemen von der Verwendung von Touchscreens abzuraten.

Besteht dennoch die Notwendigkeit oder der Wunsch bei Kunden oder Herstellern nach einer Touchbedienung, bedarf es nicht nur des technischen Know-hows des erfahrenen Entwicklers, wie man solche Funktionalitäten hard- und softwaremäßig herstellt, sondern auch eines vertieften Expertenwissens über die Art und Weise, wie Menschen in normalen und vor allem in kritischen Situationen solche Mensch-Maschine-Schnittstellen nutzen (oder auch nicht nutzen).